Weingarten hat ein reiches kulturelles Erbe, welches geschätzt, gepflegt und gewürdigt werden muss. Daran ändert auch die Ablehnung des aktuellen Antrages, den Blutritt in das bundesweite Verzeichnis des immateriellen Kulturerbes der UNESCO aufzunehmen, nichts.
Die SPD-Fraktion hatte zusammen mit der FWW im Januar 2016 angeregt, dass die Stadt Weingarten einen Antrag zur Aufnahme verschiedener kultureller Stätten, Ereignisse und Traditionen in Weingarten in die UNESCO-Liste des Welterbes stellen sollte. Der gedankliche Ansatz war sehr weit gefasst.
Der Antrag stellte fest, dass Weingarten mit der Basilika, den weiteren klösterlichen Bauten, mit der Welfengruft, der einzigartigen Gablerorgel, mit dem traditionsreichen Bluttritt, dem historischen Bewässerungssystem des Stillen Baches u.a. über herausragende Stätten und Traditionen des Kulturerbes verfügt. Zu dem Themenkreis gehöre besonders auch die Tatsache, dass im Zusammenhang mit dem „Aufstand des gemeinen Mannes“ zu Beginn des 16. Jahrhunderts in Weingarten (1525) ein bedeutender Vertrag (Weingartner-Vertrag) geschlossen wurde.
Dabei spielten auch die Ideen der 12 Artikel bereits eine Rolle, die als Forderungen des „Gemeinen Mannes“ bekannt sind und in der Memminger Erklärung niedergelegt sind. Diese gilt historisch als die erste Niederschrift von Menschen- und Freiheitsrechten in Europa. Die Ideen dieser Bewegung haben Eingang in die amerikanische Unabhängigkeitserklärung (1776), die Französische Revolution (1789) und in die allgemeine Erklärung der Menschenrechte (1948) gefunden.
Sie sind heute Bestandteil unseres Grundgesetzes. Unser Antrag zielte darauf ab, den Versuch zu unternehmen, die Gesamtheit dieses Kulturerbes in die Liste des Weltkulturerbes der UNESCO aufzunehmen. Entgegen dieser Intention wurde entschieden, den Antrag auf den Blutritt zu konzentrieren.
Dieser Antrag ist wegen der beanstandeten „Offenheit in der Frage einer möglichen Teilnahme von Frauen“ von der Kultusministerkonferenz abgelehnt worden. Da bietet sich die Möglichkeit an, dass die Verantwortlichen für den Blutritt noch einmal ihre Auffassung in der Frauenfrage überdenken.
Unabhängig davon aber sollte sich Weingarten noch mehr als bisher, seiner kulturellen Schätze und Bedeutung bewusstwerden und diese aus eigener Kraft betonen, verstärken und mit eigenen Aktionen würdigen. Das Jahr 2025 bietet sich als 500-jährige Widerkehr des Weingartner Vertrages dafür besonders an.
Doris Spieß (aus Weingarten im Blick 13/2020)