Wahlanalyse von Peter Didszun

Veröffentlicht am 16.03.2016 in Ortsverein
 

Landtagswahl 2016 – Analyse und Folgerungen

von Peter Didszun, SPD-Ortsverein Weingarten
 

I           Ursachen / Gründe

1) Kretschmann als „grüner Landesvater“ – eine inspirierende Persönlichkeit. Ihm gelingt es, Liberalität und Fortschritt in einem konservativ geprägten Milieu überzeugend zu vetreten und diese Werte dem Publikum zu vermitteln.

2) Wählerfluktuation: Abnehmende milieubedingte Bindung der Bürger / Wähler an eine Partei.

3) Unter dem Eindruck der Flüchtlingskrise: Sie hat zu einer Politisierung der Wählerschaft geführt – Anstieg der Wahlbeteiligung. Die AfD saugt die Gegener einer toleranten und weltoffenen Flüchtlings- und Zuwanderungspolitik auf, während die Grünen die Anhänger dieser Politik anziehen. Für die SPD war dies kein Thema, bei dem sie sich eigenständig profilieren konnte. Die Losung „Vernunft und Integration“ war richtig, kam aber zu spät und war in dieser zugespitzten Debatte nicht mehr wirkmächtig genug.

II          Das Problem der SPD

1) These: Kein Personalproblem. Für eine inspirierenden Politik (eine Vision, eine zukunftsorientierte politische Grundausrichtung, der sich die Bürger anschließen können) wird sich auch eine Person finden, die diese Politik glaubwürdig vertritt. Nicht umgekehrt: Suche nach einem „Charismatiker“, der die Partei mitreißt.

2) Die SPD konnte ihre Regierungsbeteiligung „auf Augenhöhe“ mit den Grünen nicht mit einer inspirierenden Politik verbinden. Ihre praktisch-politischen Erfolge wurden ihr in der Öffentlichkeit nicht gutgeschrieben. Es gelang ihr vielfach nicht, damit die öffentliche Aufmerksamkeit zu gewinnen.

3) Stattdessen strahlte die SPD eine gewisse Verzagtheit und Unsicherheit angesichts von zu erwartenden Widerständen gegen Veränderungen aus.

Beispiele:
Schulpolitik: Hier bestand eine zu große Kluft zwischen einer ambitionierten bildungspolitischen „Avantgarde“, die den Strukturwandel durchsetzen wollte (Gemeinschaftsschule + Integration = Abschaffung der Realschule und der Sonderschule) und der Proklamation des Elternwillens sowie den haushaltspolitischen Restriktionen. Die Lehrerschaft hat aus standespolitischen Gründen nicht mitgezogen. Die Lehrergewerkschaften haben uns nicht unterstützt.

Verkehrspolitik: Die Verkehrspolitik in Oberschwaben wurde von uns als Regierungspartei heftig kritisiert. So etwas kommt bei den Bürgern nicht an.

Innere Sicherheit / Polizeistruktur: Im Gegensatz zu den Grünen hat die oberschwäbische SPD den eigenen Innenminister heftig angegriffen. Auch das ist in der Öffentlichkeit nicht gut angekommen.

4) Allgemein wird der SPD immer noch die Agenda 2010 angelastet.

III         Konsequenzen

  1. These: Es geht nicht um personelle Konsequenzen. Es geht um eine Neuausrichtung der Politik, die sich aber von unserer Politik der Regierungszeit nicht distanziert, sondern sie neu justiert: Eine Politik mit Ausstrahlung, die zukunftsfähige, fortschrittliche Antworten auf die aktuellen Probleme und die zu erwartenden Herausforderungen gibt. Vernunft und Integration.
  2. Ich persönlich glaube, dass Nils Schmid das persönliche Potential hat, auch nach dieser schweren Niederlage eine solche Politik - auch in der Opposition -  glaubwürdig zu vertreten und damit an Ausstrahlung zu gewinnen.
  3. Ich gehe davon aus, dass die Landes-SPD nur in eine Ampel-Koalition unter Winfried Kretschmann eintritt, nicht jedoch in eine Koalition mit CDU und FDP. Eine solche Koalition würde den Wählerwillen massiv ignorieren und die SPD würde vom Wähler zu Recht noch weiter abgestraft.
  4. Die Flüchtlingsfrage ist ein Thema, bei dem die SPD (in Bund und Land) nicht punkten kann. Dennoch muss sie eine konsistente Position vertreten. Dazu ein paar Stichworte:
    -     Damit die „Willkommenskultur“ weiter die Unterstützung der Bevölkerungsmehrheit behält, ist eine Begrenzung der Zuwanderung erforderlich. Die Situation im Herbst 2015 war richtig und notwendig, um eine humanitäre Katastrophe abzuwenden, sie bleibt aber die Ausnahme.
    -     Dabei sind die Verpflichtungen unseres Grundgesetzes und die internationale Flüchtlingskonvention zu beachten. Diesen Menschen bieten wir auch weiterhin Zuflucht.
    -     Wir treten für ein Einwanderungsgesetz ein, das Ausländern die Möglichkeit einer legalen Einwanderung bietet, sofern sie bei uns Arbeit und Brot finden.
    -     Wirtschaftsflüchtlinge nehmen wir in begrenztem Umfang auf. Dabei ist die Integrationsfähigkeit unserer Gesellschaft zu beachten.
    -     Wir treten für eine europaweite Flüchtlings- und Zuwanderungspolitik im Rahmen der bestehenden und weiter zu entwickelnden Regelungen der EU ein.
  5. Alle sozialen Maßnahmen, die aus Anlass der Flüchtlingskrise getroffen werden, kommen auch den einheimischen Bedürftigen zugute. Eine Neid-Debatte zwischen diesen Gruppen, die beide auf die Solidarität ihrer Mitmenschen angewiesen sind, akzeptieren wir nicht. Wir wollen Integration, nicht Spaltung.
  6. Wir treten weiter für eine Finanzpolitik der Solidität ein. Für notwendige Ausgaben müssen die erforderlichen Einnahmen generiert werden.
  7. Die SPD muss heraus aus der „Agenda-Falle“. Wir müssen erkennen, dass die Agenda 2010 von Gerhard Schröder die deutsche Wirtschaft im internationalen Wettbewerb stark gemacht hat. Davon profitieren wir alle. Das hat uns den finanziellen Spielraum für eine Sozialpolitik der Solidarität gegeben. Den Kern dieser Reformen stellen wir nicht in Frage, sondern vertreten ihn als vernünftig und sozial. Aber es gibt auch Verlierer und um die müssen wir uns kümmern: Langzeitarbeitslose, prekäre Arbeitsverhältnisse und Menschen, die auf dem ersten Arbeitsmarkt keine Chance erhalten. Die Schere zwischen arm und reich wird größer, vielfach droht Altersarmut. – Hier müssen wir mit Vernunft und Augenmaß gegensteuern: Rückkehr zur paritätischen Versicherung bei Renten und Krankheit. Anhebung des Spitzensteuersatzes auf das Niveau vor den Reformen der Ära Schröder.

IV        Praktische Vorschläge

Der SPD-Kreisverband organisiert einen zweitägigen „Workshop“, wie es ihn bereits als „Zukunftskonferenz“ im Jahre 2009 nach der bitteren Niederlage im Bundestagswahlkampf gegeben hat. Alle Mitglieder, aber auch Unterstützer wären einzuladen.

Ziel ist eine Positionierung des Kreisverbands. Auf Landesebene gilt es, das Wahlergebnis zu analysieren und daraus landespolitische Konsequenzen zu ziehen. Auf Bundesebene geht es um die Positionierung der SPD im Hinblick auf den Bundestags-Wahlkampf 2017. Auf Kreisebene geht es darum, die Mitglieder zu aktivieren und erste Punkte für die politische Tagesordnung des neu zu wählenden Kreisvorstands festzulegen.

Die Ergebnisse dieses Workshops sollten öffentlich über die Presse, die Homepage und die sozialen Netzwerke kommuniziert werden. Wir wollen signalisieren, dass wir das aktuelle Wahlergebnis als Auftrag zu einer Erneuerung verstanden haben und dazu auch entschlossen sind. Sie (die Ergebnisse) sollten als Anträge an den nächsten Landesparteitag bzw. Bundesparteitag in die Willensbildung der Partei eingebracht werden.

An dem Workshop sollten Hilde Mattheis, Martin Gerster und Martin Rivoir teilnehmen. Vielleicht wäre auch externer Sachverstand durch einen Politikprofessor hilfreich, der das Ergebnis aus neutraler Sicht beleuchtet.

Anmerkung zu meiner Verwendung des Wortes „inspirierend“:
Ich vergleiche die Erfahrungen, die die SPD im der Großen Koalition im Bund und in der Koalition mit den Grünen im Land machen musste, mit den Erfahrungen der Großen Koalition unter Kanzler Kiesinger 1966-1969. Auch damals war die SPD Juniorpartner und konnte sich dennoch als die politisch treibende Kraft profilieren – außenpolitisch mit Willy Brandt und seinem Programm des „Wandels durch Annäherung“, wirtschaftspolitisch durch Karl Schiller, der mit seiner damals neuen „keynesianischen“ Wirtschaftspolitik die erste Rezession der Nachkriegszeit meisterte. Beides hat die Öffentlichkeit seinerzeit inspiriert, während Kanzler Kiesinger als bedächtiger Schöngeist (König Silberzunge) ohne politische Gestaltungskraft  erschien.

Weingarten, 19.03.2016
Peter Didszun, Pressereferent OV Weingarten

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