„Frechheit“: Kritik an Wangens Pflaster-Plänen wächst

Veröffentlicht am 27.03.2019 in Veranstaltungen
 

Beim Bürgerspaziergang, Foto von Gerhard Lang

Die Schwäbische Zeitung berichtet in der Ausgabe vom 27.03.2019 vom Bürgerspaziergang zum Thema Altstadt-Pflaster, der von der Wangener SPD-Fraktion in Initiative des Fraktionsvorsitzenden Alwin Burth organisiert wurde.

Wangen (SchwäZ, J.P.Steppat) Die Diskussion um das Kopfsteinpflaster in der Wangener Altstadt geht weiter: Scharfe Kritik daran entzündete sich unter den Teilnehmern eines von der SPD organisierten Ortstermins. Ähnlich äußert sich auch der Sozialverband VdK – insbesondere zu den städtischen Planungen für die Sanierung der Karlstraße.

Die Verwaltung hingegen verteidigt ihre Linie und spricht Verbesserungen an. Unterstützung erhält sie dabei vom Altstadt- und Museumsverein (AMV). Helena Rauch fährt in ihrem Rollstuhl über die Pflastersteine am Saumarkt. Auf jedem Meter ruckelt es mehrmals kräftig. Die Pfarrerin wird regelrecht durchgeschüttelt, wenn sie auf den Straßen der Wangener Altstadt unterwegs ist. Das wird deutlich, als sie ihre Probleme mit dem Belag bei einem Ortstermin der hiesigen SPD am frühen Montagabend demonstriert.

Und nicht viel besser ist es für sie auf dem Kleinpflaster entlang der Bindstraße, etwa, wenn sie eine Regenrinne zwischen Gehbereichen und Straße queren will. Deshalb schimpft sie: „Die Stadt ist für die Bürger da – und nicht für Steine.“

„Thema wird abgetan“
Helena Rauch ist auf den Rollstuhl angewiesen. Auch sie hatte zusammen mit ihrem Ehemann Christoph zuletzt in einem Leserbrief auf die Schwierigkeiten von Gehbehinderten hingewiesen. Verärgert sind beide aktuell vor allem darüber, dass die Stadt mit der Karlstraße auch eine der letzten asphaltierten Verbindungen in Wangens Zentrum mit dem für sie äußerst hinderlichen Belag versehen lassen will.

Als „Frechheit“ empfindet Helga Siegle die Pläne: „Mein Eindruck ist, dass das Thema abgetan wird.“
Auch aus anderen Äußerungen wird deutlich: Die etwa dutzendköpfige Runde an diesem Abend ist sich in ihrer Ablehnung des Vorhabens einig. Darunter sind auch fast alle aktuellen SPD-Stadträte. Fraktionschef Alwin Burth erinnert an die Beschlusslage in der vorletzten Sitzung des Stadtparlaments zum Thema: Da sei es um eine Auftragsvergabe gegangen, erläutert er. Nicht um den Belag. Diskutiert wurde dieser dennoch, am Ende gab es aber eine breite Zustimmung für die Sitzungsvorlage – bei zwei Enthaltungen von Burth, der in der Karlstraße „zumindest einen glatten Gehweg“ vorgeschlagen hatte, sowie seinem Fraktionskollegen Gerhard Lang.

Beim Termin am Saumarkt sagt Burth zum Thema Karlstraße: „Ich weiß nicht, ob noch eine Chance besteht, vielleicht gibt es ja noch ein Einsehen.“ In jedem Fall wolle die SPD aber „das Thema am Leben halten“. Das ist den Anwesenden wichtig, wie sich in dem rund einstündigen Austausch zeigt – und zwar in vielerlei Facetten.

„Zynisch“ nennt Helena Rauch eine Äußerung von OB Michael Lang in der Ratssitzung Ende Februar. Der Rathauschef hatte damals vorgeschlagen, hiesige Händler beim Angebot für holprigen Untergrund geeigneter Gehhilfen zu beraten. Dazu sagt sie: Sie selbst nutze einen der kostspieligsten Rollstühle überhaupt. Es helfe nicht. Und aus ihrer Arbeit als Klinikseelsorgerin am Wangener Krankenhaus wisse sie: „Viele Leute haben zu kämpfen, um überhaupt an Hilfsmittel zu kommen.“ Der niedergelassene Arzt Alwin Burth bestätigt: „Die Hartgummireifen der Krankenkassen sind völlig ungeeignet.“
Andere erweitern den vom Kopfsteinpflaster betroffenen Personenkreis zum Beispiel auf Mütter mit Kinderwagen. Hilde Pfau spricht zudem kleine Kinder mit Buggys an und berichtet: Als Radlerin habe es ihr unterwegs schon manche Milchflasche zerschlagen. SPD-Stadtrat Siegbert Schlor widerspricht überdies ablehnenden Argumenten, glattes Pflaster passe nicht zum historischen Stadtbild: „Es geht nicht um glatten, sondern um begehbaren Belag.“ Als Positivbeispiel führt er die Konstanzer Altstadt an, in der es eine – zuletzt in Bad Waldsee ebenfalls angedachte – „Rollator-Spur“ bereits gebe.

Appell an Händlerinteressen
Die Anwesenden verdeutlichen am Montagabend auch mögliche weitere Folgen: Siegfried Wiedenbach berichtet von eigenen Beobachtungen: In der Stadt lebende Menschen führen mit dem Bus ins Waltersbühl zum Einkauf, weil es sich dort besser gehen lasse: „Das sind die Konsumenten, die in Wangen ihre Schuhe oder anderes kaufen.“ Und nicht im Internet. Christoph Rauch, wie seine Ehefrau ebenfalls evangelischer Pfarrer, schlussfolgert mit Blick auf Unterstützer des Wunschs einer besser begehbaren Altstadt deshalb: „Im Prinzip müsste der Einzelhandel daran Interesse haben, Kundschaft zu bekommen.“
Helena Rauch jedenfalls will es bei dem Besuch des Ortstermins nicht bewenden lassen. Ihr gehe es auch um andere Probleme von behinderten Menschen in der Stadt. Dabei spricht sie beispielhaft die Besuche von Museen, Gemeinderatssitzungen, Geschäften und öffentlichen Veranstaltungen an. Am Ende kündigt sie einen Brief an die Stadt und alle Gemeinderäte an. Unterschrieben werden soll er von allen fünf Klinikseelsorgern.

Pflaster: Stadt kündigt Verbesserungen an
Beim jüngsten Bürgerspaziergang zur Landesgartenschau hat OB Michael Lang erneut die Haltung der Stadt zum Thema Straßenpflaster und Hintergründe erläutert. In einer Mitteilung kündigt die Stadt zudem Verbesserungen an.
„Das Bild der historischen Wangener Altstadt wird unter anderem geprägt durch das Straßenpflaster“, sagte OB Lang. „Wenn man sich die Altstadt ohne Pflaster vorstellt – wer würde sie dann schön finden?“
In dem Schreiben erklärt die Stadt auch, um welche Beläge es gehe: So liegen in der Bindstraße zwei verschiedene Pflasterarten. Die Straße wurde in drei Abschnitten zwischen 2014 und 2017 saniert. In der Fahrbahn wurde das alte Straßenpflaster verlegt, in den Fußgängerbereichen liegt Kleinpflaster. Dasselbe kleine Pflaster diene auch dazu, die Querung im Bereich des Kornhauses angenehmer zu machen. „Solche Querungshilfen sind nun auch in anderen Bereichen angedacht“, sagt Tiefbauamtsleiter Peter Ritter laut Mitteilung.

Stadt: Nur Kleinpflaster gekauft
Im Sinne der Barrierefreiheit seien bei der Sanierung der Bindstraße die Gehwege abgeschafft worden. Damit fiel auch die Bordsteinkante weg, die für Gehbehinderte eine Hürde ist. Auf die Bedürfnisse von Sehbehinderten sei mit der Verlegung von großen, glatten Flächen an Kreuzungen und Querungen eingegangen worden, so Lang. Für ihre Planungen habe die Stadt Rat bei Betroffenen und ihren Vertretern eingeholt.
„Die Stadt hat das Kleinpflaster gekauft, nicht das Straßenpflaster“, sagte Lang weiter. Die dicken, hellen Steine liegen laut Stadtarchivar Rainer Jensch seit rund 120 Jahren in den Fahrbahnen in der Stadt. Das Kleinpflaster habe bis zum Kauf durch die Stadt Wangen in der Autobahnauffahrt zur Raststätte Gruibingen auf der Schwäbischen Alb gelegen, war in den 1930er-Jahren mit Teer zugedeckt worden und sei erst bei der Sanierung der Rastanlage gefunden worden, so Lang.
Weiter betont die Verwaltung: Mit dem Kauf zog die Stadt Wangen die Konsequenz aus einer Diskussion über das im Jahr 2008 in der Schmiedstraße verlegte glatte Pflaster. Man habe sich damals unter anderem für diese Steine wegen ihrer Oberfläche entschieden, aber später die ungeklärten Umstände der Herstellung in China feststellen müssen. „Um für die Zukunft auszuschließen, dass Pflastersteine unter menschenunwürdigen Bedingungen womöglich mit Kinderarbeit produziert werden, wurde entschieden, das gebrauchte Pflaster zu kaufen“, erklärt Lang. Zudem würden auf diese Weise lange Transportwege vermieden, was dem Klimaschutz dient.
Zu den neuralgischen Punkten in der Stadt gehören laut OB zurzeit das Kornhausgässle und das Adlergässle. Das Pflaster dort sei bucklig und entsprechend schwer begehbar. Dort soll jetzt Abhilfe geschaffen werden. „Wir hoffen, wir können das Kornhausgässle mit der Sanierung der Karlstraße verbinden“, sagt Peter Ritter. Somit würde dort voraussichtlich im Sommer gebaut.

Reicht das Kleinpflaster?
Das aber könnte zu anderen Problemen führen, wie aus der Mitteilung ebenfalls hervor geht: Denn laut Tiefbauamtsleiter Peter Ritter könnte das vorhandene Kleinpflaster möglicherweise nicht ausreichen, wenn es „wegen der Verbesserung von Adlergässle und Kornhausgässle sowie dem Einbau weiterer Querungshilfen in der Altstadt vermehrt verlegt würde“. Und er ergänzt: „Sollte dies so sein, müssten wir uns Alternativen für die Karlstraße überlegen.“
Zur Karlstraße erklärt die Stadt: Auch dort sollen die Bordsteine wegkommen. Als Konsequenz aus den Erfahrungen mit den Regenrinnen entlang der Bindstraße solle nun die sogenannte Homburger Kante gebaut werden. Sie diene dazu, Regen- und Schmutzwasser vom Gehbereich fernzuhalten und bedeute eine leicht zu überwindende, minimale Kante zwischen Straße und Fußgängerraum.

Besandung startet
Ferner kündigt die Stadt am Donnerstag, 28. März, startende Besandungen in der Bindstraße an. Der Sand werde die Fugen zwischen den Steinen füllen und damit für eine glattere Fläche sorgen.

VdK: Kritik der Betroffenen missachtet
Nicht wenige seiner über 450 Mitglieder des Ortsverbands Wangen sind nach Angaben des Sozialverbands VdK bei ihrem Aufenthalt in der (Alt-)Stadt auf einen Rollstuhl, Rollator oder andere Gehhilfen angewiesen. Barrierefreiheit als Voraussetzung für Teilhabe am öffentlichen Leben in der Stadt sei für diese besonders wichtig, so Vorsitzender Hans-Jürgen Hartinger. Zur Sanierung der Karlstraße analog zu Herren- oder Bindstraße erklärt er: „Offenbar missachtet man die Erfahrungen und Kritik vieler betroffener Bürger bis hin zu den Nutzern von Kinderwagen.“
Die Unebenheiten und Rillen bei Natursteinpflasterung verursachten große Vibrationen und Schmerzen. „Bei Rollstuhlfahrern kann sich der Fuß auch vom Fußbrett lösen, ja, die Schläge machen selbst die Bedienung des Joystick am motorisierten Rollstuhl schwierig“, so Hartinger. Und: „Hat man auch an frisch operierte oder MS-kranke Mitbürgerinnen und Mitbürger gedacht? Holpern und Stolpern kann auch für Personen, die an Inkontinenz leiden, sehr unangenehm werden. Und die Zahl der Älteren und Behinderten wächst auch in unserer Stadt.“ Die Bewegung auf Pflastersteinen der verwendeten Art sei anstrengend und gefährlich. Wie sehr ebene Flächen gesucht würden, sehe man zum Beispiel am Weg Argenufer, wo selbst gesunde und mobile Bürger gerne den schmalen, ebeneren Wegbereich nutzten. Gemeinderat und Stadt seien gut beraten, Bedenken und Kritik an den verlegten und geplanten unebenen Natursteinpflastern ernst zu nehmen.

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