Doris Spieß: Haushaltsplanrede 2021

Veröffentlicht am 16.12.2020 in Gemeinderatsfraktion
 

Seit Jahren gibt es bei den Haushaltsberatungen in Weingarten ein Grundritual. Dies lautet (spätestens seit dem Krankenhausdesaster): „Wir sind in einer besonderen Notlage“. Und dann kommt die Forderung: „Jetzt muss alles auf den Tisch!“. Dabei handelt es sich dann aber nicht um ein „Tischlein deck dich“, sondern eher um einen „Esel streck dich“. Und wenn wir nichts, oder nicht genug tun, droht „der Knüppel aus dem Sack“ von der Kommunalaufsicht des Regierungspräsidiums.

In diesem Jahr sind wir durch die Auswirkungen der Pandemie auf unsere Haushaltsgestaltung ohne Zweifel in einer wirklich schwierigen Lage. Mehrere wichtige Einnahmeposten reduzieren sich wahrscheinlich deutlich: das sind vor allem die Einnahmen aus der Gewerbesteuer und die Anteile an der Einkommenssteuer. Wie hoch die allerdings im laufenden Jahr und vor allem in den nächsten Jahren ausfallen werden, ist äußerst ungewiss. Natürlich muss ein Kämmerer zunächst sehr vorsichtige Ansätze machen.

Wirtschafts- und Steuerschätzungsprognosen sind in letzter Zeit mehrmals korrigiert worden in die Richtung, dass es doch nicht ganz so schlimm kommen wird, wie zunächst befürchtet.
Grund dafür ist, dass vor allem der Bund enorme Lasten auf sich genommen hat. Die Wirtschaftsstruktur in Weingarten ist, was die Auswirkungen der Pandemie angeht, eher durchwachsen: neben Betrieben, die negativ betroffen sind, gibt es auch solche, in denen es gut läuft, die sogar zu den Profiteuren der Krise gehören.
Beim Handwerk z.B. brummt es wegen der Mehrwertsteuersenkung und die zunehmende Home - Office - Zahl verbessert die Geschäftslage einiger heimischer Betriebe.

Pandemiebedingte Einbußen gibt es vor allem in Bereichen, die eher nicht zu den großen Gewerbesteuerzahlern in Weingarten zählen.
Bei so viel Ungewissheit ist es richtig, zwar auf klar vorhersehbare Auswirkungen zu reagieren, aber auch nicht panikartig über zu reagieren. Demzufolge müssen wir durch das nächste und eventuell auch übernächste Jahr mit dem Haushalt durchkommen. Wir müssen aber auch unsere sozialen und ökologischen Ziele im Auge behalten. Wir brauchen Geld für die großen Investitionsvorhaben und für die Beibehaltung wichtiger Sozialleistungen.

Der Kämmerer hat parallel zum Haushalt ein „Strukturelles Konsolidierungskonzept“ vorgelegt. Während eine Reihe der Vorschläge Möglichkeiten für eine Verringerung der Ausgaben oder eine Erhöhung der Einnahmen bieten, meinen wir, dass einige der Punkte, vor allem aus sozialen Aspekten heraus, nicht tragbar sind. Wir halten vor allem die Ziffern 10 Städtepartnerschaften, 11 Verkauf von Kunstgegenständen, 13 Schulbuslinie Vorderer Ochsen und 14 Kindergartenentgelte für Geschwisterkinder nicht für hinreichend durchdacht oder sozial angemessen und ausgewogen. Wir stellen deshalb den Antrag, diese Ziffern aus dem Konzept herauszunehmen. Direkt haushaltswirksam für den Haushalt 2021 sind nur zwei der Posten (Schulbuslinie und Geschwisterkinder), weil nur die bereits in den vorliegenden Haushalt eingearbeitet worden sind. Es geht hier um 30 000 €, die deutlich überkompensiert worden sind, da inzwischen die Kreisumlage um 394 000 € gegenüber dem Ausgangsentwurf abgesenkt worden ist. Diese Ausgabensenkung können wir als Deckung heranziehen. Wir können uns viel sozialen Ärger ersparen, wenn wir diese beiden Posten aus dem aktuellen Haushalt und aus dem Konsolidierungskonzept herausnehmen.

Wenn diese Punkte nicht aus dem Konzept herausgenommen werden, können wir wegen der sozialen Schieflage dem Strukturellen Konsolidierungskonzept nicht zustimmen.

Erwähnen möchte ich schon, dass einige der möglichen Einnahmepositionen im Konsolidierungskonzept überhaupt erst möglich geworden sind, weil die SPD-Fraktion im Gemeinderat beharrlich immer wieder darauf bestanden hat, diese Einnahmequelle überhaupt zu erschließen. Immer wieder haben wir die Einführung der Zweitwohnungssteuer gefordert – nicht um aus dieser Quelle direkt Mehreinnahmen zu erzielen, sondern um durch Ummeldungen des Hauptwohnsitzes zu erreichen, dass die Stadt erhöhte Finanzausgleichszahlungen erhält.
Auch die Kontrolle bei den unangemeldeten Hunden haben wir wiederholt gefordert.

Eine mögliche weitere Einnahmequelle allerdings vermissen wir im vorliegenden Haushaltskonsolidierungskonzept: die Sondernutzungssatzung. Erneut stellen wir den Antrag, diese auch in Weingarten einzuführen.
Weingarten ist und bleibt die einzige größere Gemeinde im Regierungsbezirk Tübingen, die sich den Luxus leistet auf diese Einnahmen zu verzichten. Wenn es auch nicht die großen Einnahmen bringt, ist es doch ein Faktor. Die Einnahmen würden bestimmt ausreichen, um auf die Essengelderhöhung, die Erhöhung der Kindergartengebühren bei den Geschwisterkindern oder um auf die erneuten Kürzungen im Kunstbereich zu verzichten. Steter Tropfen höhlt den Stein. Wir werden den Antrag solange bei jeder Haushaltsberatung wieder stellen, bis er angenommen wird, oder - werden muss, weil wir es zur Auflage kriegen.

Der Haushalt und die mittelfristige Finanzplanung sehen vor, dass ein Teil der benötigten Mittel auch aus Grundstückserlösen kommen sollen. Wir sehen dies kritisch und meinen, dass dies nur in wenigen Einzelfällen erfolgen kann. Es sollte für die Stadt gelten, was für uns Schwaben () eigentlich selbstverständlich ist: Das „Sach“ sollte möglichst zusammengehalten werden. Deshalb muss bei unseren Grundstücken der Grundsatz gelten: Erhalten, bewahren und optimieren, statt Veräußerung! Das Potential für Grundstückserlöse ist bereits erheblich ausgeschöpft. Veräußerungen am Stadtrandgebiet sind aus ökologischen Gründen keine Lösung. Darauf haben wir immer wieder mit Nachdruck hingewiesen und unsere Zustimmung verweigert.

Wenn aber doch zur Finanzierung von Investitionen einige Verkäufe erfolgen müssen, sollten diese nicht nur der Geldgewinnung dienen, sondern es müssen damit noch weitere Ziele verfolgt werden - etwa zur Schaffung von bezahlbarem Wohnraum, zur Errichtung einer Pflegeeinrichtung, oder zum Erreichen ökologischer Ziele.
Mit der Erwähnung „einer Pflegeeinrichtung“ möchte ich auf ein besonderes Problem hinweisen. Dokumente der Kreispflegeplanung weisen aus, dass es in Weingarten kreisweit den größten Mangel in fast allen Arten der Pflege gibt. Wegen des akuten Pflegenotstandes halten wir es für dringend geboten, durch konsequente Verhandlungen und Ausnutzen unserer noch gegebenen Rechte, wieder eine Verfügungsgewalt über das 14-Nothelfer zu bekommen, damit dieses Haus zur Beseitigung der größten Engpässe in der Pflege eingesetzt werden kann.
Dies auch im Hinblick darauf, dass sich die Situation in den nächsten Jahren noch drastisch verschlechtern soll.

Wichtig ist es, die gesamte Vermögensentwicklung der Stadt im Auge zu behalten. Was fließt in den Konsum und was wird investiv eingesetzt. Wie erfolgreich wirtschaftet die Stadt? Nimmt das Gesamtvermögen zu oder ab?

Dies kann man in der Doppik der Bilanz entnehmen. Dies ist bereits der dritte Haushalt der Stadt, der nach den Regeln der Doppik aufgestellt worden ist. Leider fehlt immer noch ein Kernelement dieser Haushaltsführung: die Eröffnungsbilanz. Es verwundert schon, dass die Kämmerei die Abschreibungen, die sich aus den Vermögenswerten errechnen, auf den € genau in den Haushalt einstellt, aber immer noch keine Eröffnungsbilanz vorgelegt hat. Wir mahnen diese erneut an. Wir brauchen die Eröffnungsbilanz und dann die jährliche Bilanz, um beurteilen zu können, wie sich das Vermögen der Stadt entwickelt. Ohne diese Bilanz bleibt die ganze Umstellung auf die Doppik ein Torso.

Wichtig ist es zu erkennen, dass in jeder Krise auch eine Chance steckt. Das Nachdenken über den Haushalt erfordert auch ein Nachdenken darüber, wie wir unsere gesamte Stadtpolitik weiterentwickeln wollen. Für uns ist das Ziel klar definiert:
Wir wollen eine bewusste soziale und ökologische Ausrichtung der Stadtpolitik.

Gerade jetzt in der Pandemie muss von den Bürgerinnen und Bürgern wieder Mut und Zuversicht vermittelt werden. Sie müssen sehen und erfahren, dass trotz der Pandemie in der Stadt viel geschieht und noch eingeleitet werden kann. Es sind die Akzente im Städtebau, die Verkehrsberuhigung, die Schaffung der digitalen Infrastruktur an Schulen und in der Verwaltung zu nennen. Als Hochschulstadt müssen wir den Start-Ups Gelegenheiten geben, sich hier anzusiedeln. Das Vorantreiben des Klimaschutzes bietet Potentiale bei der Nutzung der Erdwärme zur Heizung und Kühlung bei den Martinshöfen. Bei neuen Bauprojekten ist auf Mehrgenerationenhäuser und Mehrgenerationenviertel zu achten. Die Integration der 8000 Studenten in die Stadt ist noch unzureichend. Die sich ankündigende Verkehrswende bietet ebenfalls noch viel innovatives Potential: E-Mobilität, Car-Sharing, Fahrradausleihstationen.

Es gibt so viele Aufgaben, Möglichkeiten und Chancen für die Stadt, dass die besonderen Haushaltsprobleme dieses Pandemiejahres nicht überbetont werden sollten. Diese lassen sich lösen, wie der vorliegende Haushalt zeigt.

Wir haben immer Vorschläge gemacht, für unsere Stadt den Charakter einer offenen, toleranten, sozial-ökologisch ausgerichteten Wohlfühlstadt zu erhalten und verstärken. Ein schlechtes Zeichen war hier die jüngste Entscheidung zum Sicheren Hafen, zumal hier nicht einmal finanzielle Mittel erforderlich gewesen wären.

Um ein Zeichen zu setzen, dass auch ohne größeren Haushaltsmitteleinsatz etwas im ökologischen Bereich bewirkt werden kann, reichen wir parallel zu den Haushaltsberatungen ein Baumpflanzungsprogramm „Grünes Weingarten“ für die Stadt ein, welches sich aus Spenden und Schenkungen finanzieren soll. Dieser Antrag muss nicht gleich heute abgestimmt werden, sondern er kann in der nächsten GR-Sitzung ausführlich behandelt werden.

Zum Schluss: Dank an alle Beteiligten der Verwaltung, Dank dem Kämmerer und seiner Mann- und Frauschaft. Großen Dank in diesem besonderen Jahr all Denen, die bei ihrer täglichen Arbeit durch die Pandemie ungleich größere Belastungen haben. In der Verwaltung besonders den Beschäftigten des Ordnungsamtes, den Lehrkräften und ErzieherInnen an den Schulen und Kitas und Allen, die in dieser schwierigen Zeit unter großem Stress ihren Dienst erfüllen.
Unser Dank besonders auch Denen, die den Schwächeren in unserer Gesellschaft helfen, besonderes den vielen Ehrenamtlichen, den Menschen, für die keine Haushaltsmittel eingestellt sind und die unserer Stadt das kostbarste geben, was sie haben: Einen Teil ihres Lebens, ihrer Kraft und ihrer Zeit. Enden möchte ich nun nicht nur mit Blick auf den Haushalt, sondern auch auf die besonderen Belastungen, die in den nächsten Wochen und vielleicht Monaten noch vor uns liegen: Lasst es uns mutig angehen - Besinnen wir uns auf unsere Kraft!
Und: Bleiben Sie gesund!

Doris Spieß
Für die SPD-Fraktion

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