Helga Bayha hat das Bundesverdienstkreuz erhalten (Foto: R. Bindig)
Am 20. September erhielt Helga Bayha, Mitglied unseres Ortsvereins und langjährige Vorsitzende der SPD-Fraktion im Gemeinderat Weingarten, für ihre Verdienste um das 1985 gegründete Kindernest das Bundesverdienstkreuz verliehen. Wir gratulieren ganz herzlich zu dieser verdienten Anerkennung.
Die Schwäbische Zeitung würdigte diese Auszeichnung mit dem folgenden Beitrag in der Ausgabe vom 21. September 2013:
-
Helga Bayha bekommt das Bundesverdienstkreuz
Von Daniel Drescher
WEINGARTEN - Helga Bayha ist mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet worden. Die frühere Weingartener SPD-Stadträtin wurde damit für ihre besonderen Verdienste geehrt. Ihr hat die Welfenstadt das 1985 gegründete Kindernest zu verdanken: die erste Kinderkrippe mit Ganztagesbetreuung in Süddeutschland. Der Festakt am Freitag im Schlössle war geprägt von emotionalen Momenten. Freunde, Familie, Bekannte, Mitstreiter und sogar politische Gegner zollten der Frau Respekt, die auch im KBZO in Weingarten jahrelang engagiert war. .
Als alle Grußworte verlesen sind, tritt Helga Bayha selbst ans Rednerpult. Anhand einer digitalen Bilderschau macht sie für die Menschen greifbar, wer sie ist. Zwar kennen sie ohnehin wohl alle, die sich im Rokokosaal des Schlössle eingefunden haben. Aber dieser biografische Zeitreise lässt erahnen, welche Motivation wohl hinter ihrem sozialen Engagement steckt. „Ich möchte Sie mitnehmen auf eine große Reise in die Vergangenheit“, sagt sie, ganz nach ihrem Leitspruch: „Wege entstehen, wenn wir sie gehen.“ Sie zeigt Bilder aus ihrer Kindheit in Syrmien (im damaligen Jugoslawien), zeigt den Bauernhof, auf dem sie aufgewachsen ist, die Großfamilie. Dann kommt der Krieg und verändert alles. 1944 flüchtet die Familie vor Roten Armee und den jugoslawischen Partisanen. „Morgens die Nachricht, mittags der Aufbruch, mit drei bepackten Pferdewagen Aufbruch ins Ungewisse, alles lassen...“ Der Vater wird im Krieg vermisst bleiben. Der Weg führt über Ungarn nach Österreich. 1947 wird sie eingeschult, inzwischen ist die Familie im hessischen Ronshausen heimisch. Helga Bayha erfährt, was es heißt, als Flüchtling mit Ablehnung und Misstrauen konfrontiert zu werden.
1959 zieht die Familie nach Spaichingen. Dort verliebt sich Helga Bayha in ihren späteren Mann Günter. 1961 heiraten die beiden und ziehen nach Stuttgart. „Wir führten eine Studentenehe“, sagt sie. Dort habe sie gemerkt, wie wichtig Angebote zur Kinderbetreuung seien. Ab 1972 wandelte sich der Bildervortrag, die politische Dimension tritt in den Vordergrund. Die politische Arbeit hat auch Schattenseiten. Unruhe und Stress, anonyme Briefe und böse Anrufe belasten das Familienleben. „Trotzdem standen sie hinter mir“, sagt Helga Bayha und bedankt sich bei ihrer Familie. 1985 wird das Kindernest eröffnet. Mit zehn Kindern geht es los, eine Dreizimmerwohnung mit 56 Quadratmeter bietet Platz für die ersten Schützlinge. Heute ist das Kindernest eine Kindertagesstätte mit 45 Betreuungsplätzen. Seit Mai 2009 hat der Ravensburger Kreisverband des Roten Kreuzes die Trägerschaft übernommen.
Oberbürgermeister Markus Ewald verleiht Helga Bayha das Verdienstkreuz. Zuvor würdigt er in seinem Grußwort das Lebenswerk der Sozialdemokratin. 29 Jahre lang unterrichtete sie am KBZO. Auf ihre Initiative sei es zurückzuführen, dass Kinder des KBZO beim Welfenfest – früher Heimatfest – dabei sind. Auch das kommunalpolitische Engagement im Gemeinderat stellte er heraus. Von 1989 an war sie Mitglied im Gemeinderat und Fraktionsvorsitzende der SPD. „Sie folgte dabei ihrem Mann nach, der sie ein Leben lang auch tatkräftig unterstützt hat.“ Ewald bescheinigt ihr, eine „Anwältin für sozial Schwache, Kinder und Familien“ zu sein.
Dietmar Schillig, langjähriger Weggefährte und Professor an der PH, hält dann die Laudatio. Er zeichnet auch den Weg nach, der Helga Bayha nach Weingarten führte. Mit dem Kindernest sei sie samt Mitstreiterinnen der Zeit voraus gewesen. Schillig sorgt für einen der emotionalen Momente: „Sicher hätte Dir der heutige Festakt noch größere Freude bereitet, wenn dein vor sechs Jahren verstorbener Mann sowie Deine Mutter die heutige Preisverleihung hätten miterleben dürfen.“ Am Schluss sorgt er für ein Schmunzeln. „Die Rote Helga hat das mitunter grau-schwarz changierende Weingartener Farbspektrum kräftig rosarot aufgemischt und es dank ihrer Aktivitäten etwas mitmenschlicher aufgehellt.“
Biografie spielt eine Rolle
Ulrich Raichle, Vorstandsvorsitzender der Stiftung KBZO, dankt Helga Bayha für den Einsatz für behinderte Kinder. „Ganz persönlich und von Ihrem professionellen Selbstverständnis her haben Sie damit Inklusion praktiziert und gelebt und dies zu einem Zeitpunkt, lange bevor der Begriff überhaupt eine gesellschaftspolitische Relevanz entwickelt hat oder überhaupt öffentlich bekannt war.“ Aber auch hier spielt die Biografie eine Rolle: Helga Bayhas Tochter Judith sitzt im Rollstuhl. Die SPD-Politikerin hat also selbst erlebt, wie wichtig es ist, was Raichle mit der UN-Konvention anspricht: Dabei gehe es im Kern um „die selbstverständliche und voll umfängliche Teilhabe und Teilnahme von Menschen mit Behinderungen am Leben in der Gesellschaft“.
Da passt es, dass vor dem offiziellen Beginn das Bläserensemble der Geschwister-Scholl-Schule auf die Feierstunde einstimmt. Mit Stücken wie „Ode an die Freude“ sorgen die Musiker für festliche Stimmung.
Mit Dieter Pfleghar ergreift dann noch ein politischer „Widerpart“, wie er es nennt, das Wort. Der CDU-Stadtrat entschuldigt sich für manch harte Auseinandersetzung im Gemeinderat. „Ich hab mit dem Degen gekämpft, sie mit dem Florett. Einmal hab ich den Säbel gezogen“, und weil es danach Tränen gab, habe ihn das noch lange beschäftigt. Die Entschuldigung kommt an.
Am Ende erntet Helga Bayha Ovationen. „Ob das nicht zu viel des Lobes ist?“, fragt sie einmal. Der Applaus scheint das Gegenteil zu behaupten.
(Erschienen: Schwäb. Zeitung vom 21.09.2013)
Anm.: die Hervorhebungen im Text stammen vom SPD-Webmaster