Schwerbehinderte SPD-Kandidatin in Weingarten: „Behinderte brauchen eine öffentliche Stimme“

Veröffentlicht am 06.05.2019 in Ortsverein
 

Ellen Herrmann ist 53 Jahre alt und kandidiert auf der Liste der SPD für den Weingartener Gemeinderat

Schwäbische Zeitung vom 02.05.2019

Schwerbehinderte SPD-Kandidatin in Weingarten: „Behinderte brauchen eine öffentliche Stimme“

von Markus Reppner

Weingarten - Man ist beeindruckt, wenn man Ellen Herrmann sieht und zuhört. Sie ist klar in ihrer Meinung, weiß für sich einzustehen, steht mitten in einem selbstbestimmten Leben, hat einen ausgesprochenen Realitätssinn und strahlt eine ansteckende Lebensfreude aus.

Ellen Herrmann ist 53 Jahre alt und kandidiert für den Weingartener Gemeinderat bei den Kommunalwahlen am 26. Mai. Sie tritt für die SPD an. Wie auch in den vergangenen Jahren. Erstmals kandidierte sie 1998. Sie hat eine diastrophische Dysplasi, eine Erbkrankheit, die über Generationen in den Genen schlummern kann, bevor sie ein Nachkomme bekommt. Ellen Herrmann kann zwar ein paar Schritte gehen, doch ist sie vorwiegend auf ihren Elektrorollstuhl angewiesen.

1982 ging sie ins Körperbehindertenzentrum Oberschwaben (KBZO) nach Weingarten, um dort eine Berufsausbildung zu machen. Sie lebte dort im Internat und hatte es nur einen Katzensprung zum Wirtschaftsgymnasium, wo sie 1989 ihr Abitur machte. Danach wollte sie eigentlich studieren, doch eine Mitarbeiterin der Agentur für Arbeit – damals noch Arbeitsamt genannt – eröffnete ihr die Perspektive, eine gehobene Beamtenlaufbahn einzuschlagen. Doch kurz vor der Verbeamtung wurde das Fernmeldeamt privatisiert. Sie arbeitete dann beim Nachfolgeunternehmen und ist heute Projektmanagerin. Sie engagiert sich in der Schwerbehindertenvertretung des Unternehmens und im Betriebsrat.

Und sie ist in der SPD aktiv. Persönlich stehe sie dem linken Flügel der Partei nahe, sagt sie. Ihr politisches Anliegen: mehr Sensibilisierung für die Situation von anderen. Das gelte für Bürger und Amtsträger im gleichen Maße.

Früher wurde sei angeschaut, „als sei ich ein Alien“

Inklusion? Ja, sagt die 53-Jährige, die gebe es in Ansätzen und in den letzten 20 Jahren habe sich da einiges getan. „Es hat sich ganz vieles verändert“, sagt sie. „Früher hat man mich angeschaut, als sei ich ein Alien“. Die Leute seien aufgestanden und gegangen, wenn sie sich an einen Tisch in einem Restaurant platzierte. Heute werde ihr ganz selbstverständlich geholfen, wenn sie in einem Supermarkt ein Produkt in einem Regal nicht erreichen kann oder die Zuckerdose zu weit weg auf dem Tisch steht. Aber eine „echte“ Inklusion, die gebe es trotzdem noch nicht. „Behinderte und Nichtbehinderte sind voneinander getrennt, dazwischen gibt es eine Mauer“, sagt sie. „Beide leben unter sich. Heime sind Exklusion“. Damit meint sie nicht nur Behinderteneinrichtungen. Auch ältere Menschen würden in der Exklusion leben. Klar seien sie dort gut versorgt, aber versorgt heißt weggeräumt. Eine soziale Teilhabe am Leben sei nur eingeschränkt möglich.

Ein wesentlicher Punkt, um am öffentlichen Leben teilzunehmen sei Mobilität – im weitesten Sinne des Wortes. Denn es scheitere weniger an der eignen Mobilität als vielmehr an den Möglichkeiten, die einem geboten werden. In diesem Zusammenhang fällt immer das Wort „barrierefrei“. „Doch was das wirklich bedeutet“, sagt Ellen Herrmann, „ist nicht unbedingt jedem klar.“ Denn barrierefrei heiße, dass Anlagen oder Verkehrsmittel für alle Menschen zugänglich seien – und das ohne fremde Hilfe.

Weingarten sei zwar eine Stadt, in der sich nicht zuletzt aufgrund des KBZO viele Menschen mit Behinderung bewegen und die auch einiges für die Bewegungsfreiheit getan habe. Dennoch gebe es auch hier noch Potenzial.

Kritik an Zugang zu Supermarkt

Beispiel Kaufland: Für viele Menschen mit eingeschränkter Bewegungsfreiheit sei Kaufland der einzige innerstädtische Supermarkt, der alles biete, was man brauche. Alle anderen liegen laut Herrmann im Umkreis von mindestens einem Kilometer um die Innenstadt. Sie mit einem Rollstuhl oder Rollator ohne fremde Hilfe zu erreichen, sei nicht möglich. Kaufland sei aber auch nicht barrierefrei im eigentlichen Sinne. Zwar führe eine sogenannte Rollsteige in die Lebensmittelabteilung, doch signalisiere ein Schild, die Steige dürfe nicht von Rollstuhlfahrern benutzt werden. Es bliebe zwar die Möglichkeit des Lastenaufzugs – doch diesen kann nur ein Mitarbeiter benutzen.

Beispiel Münsterplatz: Das Kopfsteinpflaster sei für Rollstuhl und Rollator gefährlich und nahezu unpassierbar. Teile der Karlstraße seien gut und auch um das Museumscafé seien die Bedingungen gut – falls Fahrräder die Zufahrten nicht versperren.

Beispiel Bushaltestellen: Gerade einmal fünf von 49 Bushaltestellen sind barrierefrei (die SZ berichtete). Bis zum 1. Januar 2022 müssen es laut Gesetz alle sein. Da gebe es noch einiges zu tun, sagt Herrmann.

„Ich kann nicht alles von heute auf morgen machen“, sagt sie. „Aber ich kann punktuell verbessern.“ Es ärgere sie, dass es bei Entscheidungen bezüglich Barrierefreiheit immer nur ums Geld gehe und dass dies dann zu Lasten des Images von Menschen mit Behinderung sei. „Es muss jemand in den Gemeinderat, der auf die Situation der Behinderten aufmerksam macht“, fordert sie.

Schwäbische Zeitung vom  2. Mai 2019

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