SPD im Gespräch Vinzenz
Einen spannenden und informativen Abend mit Petra Wiedemann und Isabell Hermann vom Kinder- und Familienzentrum St.Vincenz eröffnete SPD-Stadtrat Jochen Narr mit einer Anekdote aus seiner Kindergartenzeit vor über 50 Jahren: 50 Kinder wurden von einer Ordensschwester und einer Erzieherin betreut, und wer frech war, kam in die Besenkammer. Heute werden im Familienzentrum die gleiche Anzahl Kinder von acht pädagogischen Fachkräften betreut und die Besenkammer muss nicht mehr als Erziehungsmittel herhalten. Die beiden Leiterinnen waren auf Einladung des SPD Ortsvereins gekommen, um über ihre Einrichtung zu informieren.
Die Idee zu einem Kinder- und Familienzentrum wurde schon vor gut zehn Jahren geboren, Grundlage war auch der Familienbericht, den die Stadt im Jahr 2008 in Auftrag gegeben hatte. Die Umsetzung konnte jedoch erst im Jahr 2016 beginnen, als dem damaligen Kindergarten Fördergelder des Landes und der Diözese Rottenburg-Stuttgart zur Verfügung gestellt wurden.
Wohin sich ein Familienzentrum entwickelt, orientiert sich an den Bedarfen der Familien, den Sozialraumdaten und der Erfassung der Lebenslagen der Familien. Für den damaligen Kindergarten St.Vincenz hieß dies: viele Kinder kamen und kommen aus Familien mit einem großen Unterstüzungsbedarf.
Die Angebote für Familien sind vielfältig: Familienangebote an Wochenenden, Elternlesetisch, Bücher und Spiele können ausgeliehen werden, es gibt kostenlose Elternsprachkurse, einen interkulturellen Treff, Erziehungskurse für Eltern, einen Schenktag, Teestunde und vieles mehr.
Still wurde es im Raum, als die beiden Leiterinnen auf die Kinderarmut angesprochen wurden. Sie berichteten, dass manche Familien beispielsweise nach dem Martinsumzug nach Hause gingen und nicht zum gemütlichen Beisammensein blieben. Der Grund war offensichtlich: selbst der geringe Beitrag für Speisen und Getränke konnte nicht aufgebracht werden. Daraufhin veranstaltete der Elternbeirat einen Kuchenverkauf und mit dem Erlös erhielt jedes Kind Gutscheine, worauf die meisten Familien beim nächsten Umzug bis zum Ende dabei sein konnten.
Die Erzieherinnen sind in vielen Rollen tätig: mal als Psychologin, dann als Sozialarbeiterin oder auch als “beste Freundin”, je nachdem, was erforderlich ist. Wenn eine schwangere Frau nicht weiß, wohin sie sich mit Fragen wenden kann, wird die Mitarbeiterin der Caritas Schwangerschaftsberatung ins Familienzentrum eingeladen, um Berührungsängste abzubauen. Beim nächsten mal wird die werdende Mutter zur Beratungsstelle begleitet oder es wird der Kontakt zum Jobcenter hergstellt, beim Ausfüllen von Anträgen geholfen, ein erster Termin bei einer Logopädin vereinbart.
Gefragt, was ihnen am meisten unter den Nägeln brenne, antworteten Frau Wiedemann und Frau Hermann unisono: eine gesicherte Finanzierung, wenn die Förderungen in wenigen Jahren auslaufen.
Die Erhöhing der Leitungsfreistellung von derzeit 27 auf 40% wäre sinnvoll, um noch mehr Angebote kreieren zu können. So schwebt den Mitarbeiterinnen des Familienzentrums beispielsweise aufgrund der räumlichen Nähe zur Grundschule am Oberen Graben eine Schülerbetreuungsgruppe für die Klassen eins und zwei vor, da die Entfernug zum Hort an der Schule in der Stadt zu groß ist.
“Das Kinder- und Familienzentrum ist ein Lern-und Bildungsort für die ganze Familie” steht im Flyer der Einrichtung. Es ist weit mehr als das: Es verbindet Familien unterschiedlicher Herkunft, Religion, Bildung und Nationalität. Es ermöglicht Kindern mit ihren Familien die Teilhabe an der und die Intergration in die Gesellschaft.
Das Kinder- und Familienzentrum mit seinen engagierten Mitarbeiterinnen: Ein Glücksfall für die Kinder und ihre Familien – und für Leutkirch.